Ein erfreulicher Anlass: die ganze Familie ist versammelt, die Nachbarn
sind da, um die glückliche Heimkehr des Sohnes zu feiern, der im 1.
Weltkrieg gekämpft hatte. "Wenigstens können wir sicher sein, dass wir
ganz unten angekommen sind. Nach alldem kann es unmöglich noch einmal
einen Krieg geben, soviel steht fest!" Und dann, seufzend, ein wenig
herablassen: "Du hast Glück, Papa, du hast den Krieg nie erlebt. Ich
langweile dich mit meinem Gejammer." Das meint der Sohn, dem die Eltern
ihre wahre Herkunft verschwiegen haben, für den sie nur Elisabeth und
Harry sind, die aus Europa nach Australien ausgewandert waren.
Dabei war ihre Geschichte um so vieles abenteuerlicher! Harry,
eigentlich Kadir, hatte schon als Kind die Vertreibung aus Algerien
miterleben müssen, als sein Vater mit dem Emir ins Exil gegangen war.
Als die Sehnsucht nach der Heimat zu groß wurde, gingen sie zurück -
zurück, um hier gegen die Franzosen zu kämpfen, die in der Zwischenzeit
das Land annektiert hatten. Kadir wurde gefangengenommen, nach
Neukaledonien deportiert.
Dahin hatte es auch Lislei verschlagen, die fälschlicherweise als
Kommunardin verurteilt wurde. Und hier kreuzen sich auch ihre Wege.
Kadir gelingt die Flucht aus dem Strafgefangenenlager, und Lislei findet
ihn. Und sie hilft ihm: unter der Bedingung, dass sie mit ihm auf das
Schiff darf, das ihn aus Neukaledonien wegbringen soll. Alles ist sie
bereit, für ihre Freiheit zu geben - denn der Preis für ihre Überfahrt
soll nicht in Geld entrichtet werden.
Ekel und Hass bestimmen das Verhältnis der beiden zueinander zu Beginn;
aber dann geschieht, was nicht zu erwarten war: vor der Küste Tasmaniens
stoppt das Schiff. Neue Fracht wird geladen. Darunter ein Kind, ein
schwarzer Junge - der letzte noch lebende Ureinwohner Tasmaniens, wie
seine Jäger hohnlächelnd erzählen...
Eine Vielzahl an Geschichten wird in diesem Roman miteinander verwoben;
die Besetzung Nordafrikas durch die Europäer, der Sieg über Paris, die
Bagno-Lager in Neukaledonien, die Frühzeit der Besiedlung Australiens,
und vor allem auch der Sieg über die Aborigines. "Die anderen Staaten
schauten neidisch auf Tasmanien, das die Ureinwohnerfrage ein für
allemal geklärt hatte" heißt es an einer Stelle des Buches; ja, geklärt
hatte man, denn in beispielloser Jagd wurden die Aborigines hier
abgeschlachtet wie Vieh.
Das ungleiche Paar, das sich des schwarzen Jungen annimmt und
seinetwegen viel Unverständnis erntet, ja, sogar in Lebensgefahr gerät,
ist das einzige Zeichen von Menschlichkeit in diesem Roman; ansonsten
wird vor allem in sehr plakativer und auch etwas indifferenziert
gemordet und gestochen.
Dabei muss man dem Autor aber zugute halten, dass er es schafft, eine
Geschichte, die mich mit ziemlicher Sicherheit nie angesprochen hätte,
wenn nicht das Zauberwort "Australien" darin vorgekommen wäre, auf sehr
spannende Weise zu schildern, zu meiner Freude auch in - für
Abenteuerromane nicht unbedingt typische - wohlgewählter Sprache.
Alleine des Plots wegen hätte ich die Geschichte wohl nicht zu Ende
gelesen, aber Benmalek bemüht sich mit Erfolg, die Vertreibung der
Araber aus Algerien mit der Geschichte der Vertreibung der Aborigines in
Bezug zu bringen. Die Struktur sich das Recht anzumaßen, über andere zu
bestimmen, wird hier sehr transparent.
Auch wenn das Wesen des Romans nicht meiner favorisierten Lektüre
entspricht, die Umsetzung ist dem Autor auf jeden Fall gelungen.
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Leseprobe:
S. 11:
Vom Fenster aus blicke ich aufmerksam in den Garten. Verstreut stehen
dort Tische und Rattanstühle. Dazwischen drängen sich die Menschen. Ich
halte Ausschau nach den Mitgliedern meiner Familie, nach meinem Sohn,
der lebendig aus der Hölle zurückgekehrt ist, seiner Frau Margaret, der
Tapferen, Eigensinnigen, ihrer Tochter Joan, meiner geliebten Enkelin.
Und nach Tridarir, meinem alten Weggefährten, dem Menschen, der eine
Zeitlang unser einziger Lebenssinn war. Auch unsere größte Niederlage.
Der wortkarge Aborigine ist nicht da, für den Tag verschwunden. Oder ist
er vielleicht, wie es zuweilen vorkommt, für einen Monat oder länger zu
einer seiner seltsamen Wüstenwanderungen aufgebrochen, von denen er
stets staubstarrend, halb tot vor Hunger und jedesmal verzweifelter
zurückkehrt?
Ich sollte glücklich sein. Und ich fühle mich als Tor unter Toren. In
diesem Augenblick, da Reverend Key mir mit einem breiten Lächeln zu
verstehen gibt, dass ich mich zu ihnen gesellen soll, zählt für mich nur
noch der Körper, der im hinteren Teil des Zimmers auf dem Bett liegt.
Dieser entkräftete Körper meiner Frau. Mich dürstet nach Leben. Es
dürstet mich so sehr danach. Für sie und für mich.
Das Wetter ist schön. Als sei der Pazifik, statt Hunderte von Kilometern
entfernt zu liegen, auf einmal unser Gast. |